Bertolt Brecht - his Poetry & Period - his Politics & Person
German Originals 5
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Deutschland
O Deutschland, bleiche Mutter!
Wie sitzt du besudelt
Unter den Völkern
Unter den Befleckten
Fällst du auf.
Von deinen Söhnen der ärmste
Liegt erschlagen.
Als sein Hunger groß war
Haben deine anderen Söhne
Die Hand gegen ihn erhoben.
Das ist ruchbar geworden.
Mit ihren so erhobenen Händen
Erhoben gegen ihren Bruder
Gehen sie jetzt frech vor dir herum
Und lachen in dein Gesicht
Das weiß man.
In deinem Haus
Wird laut gebrüllt was Lüge ist
Aber die Wahrheit
Muß schweigen.
Ist es so?
Warum preisen dich ringsrum die Unterdrücker, aber
Die Unterdrückten beschuldigen dich?
Die Ausgebeuteten
Zeigen mit Fingern auf dich, aber
Die Ausbeuter loben das System
Das in deinem Hause ersonnen wurde!
Und dabei sehen dich alle
Den Zipfel deines Rockes verbergen, der blutig ist
Vom Blut deines
Besten Sohnes
Hörend die Reden, die aus deinem Haus dringen, lacht man.
Aber wer dich sieht, der greift nach dem Messer
Wie beim Anblick einer Räuberin.
O Deutschland, bleiche Mutter!
Wie haben deine Söhne dich zugerichtet
Daß du unter den Völkern sitzest
Ein Gespött oder eine Furcht!
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BEGINN DES KRIEGES
Wenn Deutschland bis an die Zähne gerüstet ist
Wird ihm ein großes Unrecht geschehen
Und der Trommler wird seinen Krieg führen.
Ihr aber werdet Deutschland verteidigen
In fremden Ländern, euch unbekannt
Und gegen Menschen kämpfen, die euresgleichen sind.
Der Trommler wird von Befreiung faseln
Aber die Unterdrückung im Land wird ohnegleichen sein.
Und er mag alle Schlachten gewinnen
Außer der letzten.
Wenn der Trommler seinen Krieg verliert
Wird Deutschland seinen Krieg gewinnen.
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DER KRIEGSGOTT
Ich sah den alten Kriegsgott stehen auf einem Sumpf zwischen Abgrund und Felswand.
Er roch nach Freibier und Karbol und zeigte Halbwüchsigen seine Hoden, denn er war von einigen Professoren verjüngt worden. Er beteuerte mit heiserer Wolfsstimme seine Liebe zu allem Jungen.
Dabei stand eine schwangere Frau und zitterte.
Und ohne Scham redete er weiter und stellte sich vor als großer Ordnungsmann. Und er schilderte, wie er die Scheunen überall ordnete, indem er sie leerte.
Und wie man Spatzen Brocken hinwirft, so fütterte er arme Leute mit Brotkrusten, die er armen Leuten weggenommen hatte.
Seine Stimme war bald laut und bald leise, aber immer heiser.
Mit lauter Stimme sprach er von kommenden großen Zeiten,
und mit leiser Stimme lehrte er die Weiber, wie man Krähen und Möwen kocht.
Dabei hatte er einen unruhigen Rücken und sah sich immerfort um, als fürchtete er einen Dolchstoß.
Und alle fünf Minuten versicherte er dem Publikum, daß er nur ganz kurz aufzutreten gedenke.
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Als das Regime befahl, Bücher mit schädlichem Wissen
Öffentlich zu verbrennen, und allenthalben
Ochsen gezwungen wurden, Karren mit Büchern
Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte
Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der
Verbrannten studierend, entsetzt, daß seine
Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch
Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber.
Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich!
Tut mir das nicht an! Laßt mich nicht übrig! Habe ich nicht
Immer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt
Werd ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch:
Verbrennt mich!
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DAUER DES DRITTEN REICHES
1
Der Führer versichert, daß das Dritte Reich
Dreißigtausend Jahre dauren wird. Daran
Soll höhern Ortes kein Zweifel bestehen. Zweifel
Soll höhern Ortes nur bestehen, ob das Dritte Reich
Den nächsten Winter überdauern wird.
2.
Der Führer versichert, daß der kommende Krieg
Gewonnen werden wird. Daran
Soll höhern Ortes kein Zweifel bestehen. Den Krieg gewinnt
Wer die meisten Rohstöffe, die meisten Lebensmittel
Und die ausdaurendsten Soldaten hat.
Wenn also alle Soldaten, die in die Tanks steigen
Lange genug drinnen bleiben
All ihre Frauen und Kinder Rüben fressen und
Grossvater Stilke seine Abfalltonne tüchtig nach Zinn auskrazt
Muss der Krieg, der kommen wird, gewonnen werden.
3
Den nächtsen Weltkrieg werden wir gewinnen
Wenn wir genügend Abfall sammeln. Daran soll
Höherne Ortes kein Zweifel bestehen. Zweifel besteht nur
Ob zum Beispiel die Leitungdrähte
Die statt aus Kupfer aus Aluminium gemacht werden müssen
Lange genug halten werden. Der Führer versichert, sie halten
Dreissigtausend Jahre.
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ÜBER DEUTSCHLAND
Ihr freundlichen bayrischen Walder, ihr Mainsstädte
Fichtenbestandene Rhön, du, schattiger Schwarzwald
Ihr sollt bleiben.
Thüringens rötliche Halde, sparsamer Strauch der Mark und
Ihr schwarzen Städte der Ruhr, von Eisenkahnen durchzogen, warum
Sollt ihr nicht bleiben?
Auch du, vielstädtiges Berlin
Unter und über dem Asphalt geschäftig, kannst bleiben und ihr
Hanseatische Häfen bleibt and Sachsens
Wimmelnde Städte, ihr bleibt und ihr schlesichen Städte
Rauchüberzoge, nach Osten blickende, bleibt auch.
Nur der Abschaum der Generäle und Gauleiter
Nur die Fabrikherrn und Börsenmakler
Nur die Junker und Statthalter sollen verschwinden.
Himmel und Erde und Wind und das von den Menschen Geschaffene
Kann bleiben, aber
Das Geschmeiß der Ausbeuter, das
Kann nicht bleiben.
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DIE REGIERUNG ALS KÜNSTLER
1
Fur den Bau von Pälasten und Stadien
Wird viel Geld ausgegeben. Die Regierung
Gleich darin eine jüngen Künstler, der
Den Hunger nicht scheut, wenn es gilt
Seinen Namen berühmt zu machen. Allderdings
Ist der Hunger, den die Regierung nicht scheut
Der Hunger der andern, nämlich
Des Volkes.
2
Gleich dem Künstler
Verfügt die Regierung über allerhand übernatürliche Kräfte
Ohne daß man ihr etwas sagt
Weiß sie alles. Was sie kann
Hat sie nicht gelernt. Sie hat
Nichts gelernt. Ihre Bildung
Ist eher mangelhaft, jedoch zauberhafterweise
Ist sie fähig, bei allem mitzureden, alles zu bestimmen
Auch was sie nicht versteht.
3
Ein Künstler kann bekanntlich dumm sein und doch
Ein großer Künstler sein. Auch darin
Gleicht die Regierung dem Künstler. Wie man von Rembrandt sagt
Daß er nicht anders gemalt hätte, ohne Hände geboren, so kann man
Auch von der Regierung sagen, sie würde
Ohne Kopf geboren, nicht anders regiern.
4
Erstaunlich beim Künstler
Ist die Erfindungsgabe. Wenn man der Regierung zuhört
Bei ihren Schilderungen der Zustände, sagt man
Wie sie erfindet! Für die Wirtschaft
Hat der Künstler nur Verachtung obrig, ganz so auch
Verachetet die Regierung bekanntlich die Wirtschaft. Natürlich
Hat sie einige reiche Gönner. Und wie jeder Künstler
Lebt sie davon, daß sie
Sich Geld pumpt.
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Auf den Tod eines Kämpfers für den Frieden
Dem Andenken Carl von Ossietzkys
Der sich nicht ergeben hat
Ist erschlagen worden
Der erschlagen wurde
Hat sich nicht ergeben
Der Mund des Warners
Ist mit Erde zugestopft.
Das blutige Abenteuer
Beginnt.
Über das Grab des Friedensfreundes
Stampfen die Bataillone.
War der Kampf also vergebens?
Wenn, der nicht allein gekampft hat, erschlagen ist
Hat der Feind
Noch nicht gesiegt.
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DIE FESTUNG EUROPA
Europa ist Hitlers Festung
Sagt Göbbels jedem Kind.
Doch wo hat man je eine Festung gesehn
Wo die Feinde nicht nur außen stehn
Sondern auch innen sind?
Du der du, sitzend im Buge des Bootes
Siehest am unteren Ende das Leck
Wende lieber den Blick nicht weg
Denn du bist nicht aus dem Auge des Todes.