Bertolt Brecht - his Poetry & Period - his Politics & Person
German Originals 4:
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An die Nachgeborenen
I
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind?
Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt
Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts
Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich sattzuessen.
Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt bin ich verloren.)
Man sagt mir: Iß und trink du! Sei froh, daß du hast!
Aber wie kann ich essen und trinken, wenn
Ich dem Hungernden entreiße, was ich esse, und
Mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt?
Und doch esse und trinke ich.
Ich wäre auch gern weise.
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen
Auch ohne Gewalt auskommen
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
Gilt für weise.
Alles das kann ich nicht:
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
II
In die Städte kam ich zur Zeit der Unordnung
Als da Hunger herrschte.
Unter die Menschen kam ich zur Zeit des Aufruhrs
Und ich empörte mich mit ihnen.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.
Mein Essen aß ich zwischen den Schlachten
Schlafen legte ich mich unter die Mörder
Der Liebe pflegte ich achtlos
Und die Natur sah ich ohne Geduld.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.
Die Straßen führten in den Sumpf zu meiner Zeit.
Sprache verriet mich dem Schlächter.
Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden
Saßen ohne mich sicherer, das hoffte ich.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.
Die Kräfte waren gering. Das Ziel
Lag in großer Ferne.
Es war deutlich sichtbar, wenn auch für mich
Kaum zu erreichen.
So verging meine Zeit
Die auf Erden mir gegeben war.
III
Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid.
Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd
Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.
Dabei wissen wir doch:
Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.
Ihr aber, wenn es so weit sein wird
Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unsrer
Mit Nachsicht.
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Die Hoffnung der Welt
Ist die Unterdrückung so alt wie das Moos an den Teichen?
Das Moos an den Teichen ist nicht vermeidbar.
Vielleicht ist alles natürlich, was ich sehe, und ich bin krank
und will weghaben, was nicht wegzubringen ist?
Ich habe Lieder gelesen der Ägypter, ihrer Leute,
die die Pyramiden gebaut haben. Sie beschwerten sich über die Lasten
und fragten, wann die Unterdrückung aufhört. Das ist viertausend Jahre her.
Die Unterdrückung ist wohl wie das Moos und unvermeidlich.
Wenn ein Kind unter den Wagen kommt, reißt man es auf den Gehsteig.
Nicht der Gütige tut das, dem ein Denkmal gesetzt wird.
Jeder reißt das Kind vor dem Wagen weg.
Aber hier liegen viele unter dem Wagen, und es gehen viele vorüber und tun nichts dergleichen.
Ist das, weil es so viele sind, die leiden? Soll man ihnen nicht mehr helfen, da es viele sind? Man hilft ihnen weniger.
Auch die Gütigen gehen vorbei und sind hernach ebenso gütig, wie sie waren, bevor sie vorbeigegangen sind.
Je mehr es sind, die leiden, desto natürlicher erscheinen ihre Leiden also.
Wer will verhindern, daß die Fische im Meer naß werden?
Und die Leidenden selber teilen diese Härte gegen sich
und lassen es an Güte fehlen sich selber gegenüber.
Es ist furchtbar, daß der Mensch sich mit dem Bestehenden so leicht abfindet,
nicht nur mit fremden Leiden, sondern auch mit seinen eigenen.
Alle, die über die Mißstände nachgedacht haben, lehnen es ab,
an das Mitleid der einen mit den andern zu appellieren.
Aber das Mitleid der Unterdrückten mit den Unterdrückten ist unentbehrlich.
Es ist die Hoffnung der Welt.
(1934)
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Zeit meines Reichtums
Sieben Wochen meines Lebens war ich reich.
Vom Ertrag eines Stückes erwarb ich
Ein Haus in einem großen Garten. Ich hatte es
Mehr Wochen betrachtet, als ich es bewohnte. Zu
Und auch des Nachts ging ich erst vorbei, zu sehen
Wie die alten Bäume über den Wiesen stünden in der Frühdämmerung
Oder der Teich mit den moosigen Karpfen lag, vormittags,
Die Hecken zu sehen in der vollen Sonne des Mittags
Die weißen Rhododendrenbüsche am Abend, nach dem Vesperläuten
Dann zog ich ein mit den Freunden. Mein Wagen
Stand unter den Fichten. Wir sahen uns um: von keiner Stelle aus
Sah man dieses Gartens Grenzen alle, die Neigungen der Rasenflächen
Und die Baumgruppen verhinderten, daß die Hecken sich erblicken
Auch das Haus war schön. Die Treppe aus edlem Holz, sachkunding behandelt
Flachstufig mit schönmaßigem Geländer. Die geweißneten Stuben
Hatten getäfelte Hölzer zur Decke. Mächtige eiserne Öfen
Von zierlichster Gestalt trugen getriebene Bildnisse: arbeitende Bauern
In den kühlen Flur mit den eichenen Bänken und Tischen
Führten starke Türen, ihre Erzklinken
Waren nicht die erstbesten, und die Steinfliesen um das bräunliche Haus
Waren glatt und eingesunken von den Tritten
Früherer Bewohner. Was für wohltuende Maße! Jeder Raum anders
Und jeder der beste! Und wie veränderten sich alle mit den Tageszeiten!
Den Wandel der Jahreszeiten, sicher köstlich, erlebten wir nicht, denn
Nach sieben Wochen echten Reichtums verließen wir das Besitztum, bald
Flohen wir über die Grenze.
Die Lust des Besitzes fühlte ich tief und ich bin froh
Sie gefühlt zu haben. Durch meinen Park zu gehen, Gäste zu haben
Baupläne zu erörtern, wie andere meines Berufs vor mir
Gefiel mir, ich gestehe es. Doch scheinen mir sieben Wochen genug.
Ich ging ohne Bedauern, oder mit geringem Bedauern. Dies schreibend
Hatte ich schon Mühe, mich zu erinnern. Wenn ich mich frage
Wieviele Lügen zu sagen ich bereit wäre, diesen Besitz zu halten
Weiß ich, es sind nicht viele. Also, hoffe ich
War es nicht schlecht, dieses Besitztum zu haben. Es war
Nicht wenig, aber
Es gibt mehr.
(Um 1934)
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Ulm 1592
Bischof, ich kann fliegen
Sagte der Schneider zum Bischof.
Paß auf, wie ich's mach!
Und er stieg mit so 'nen Dingen
Die aussahn wie Schwingen
Auf das große, große Kirchendach.
Der Bischof ging weiter.
Das sind lauter so Lügen
Der Mensch ist kein Vogel
Es wird nie ein Mensch fliegen
Sagte der Bischof vom Schneider.
Der Schneider ist verschieden
Sagten die Leute dem Bischof.
Es war eine Hatz.
Seine Flügel sind zerspellet
Und er liegt zerschellet
Auf dem harten, harten Kirchenplatz.
Die Glocken sollen läuten
Es waren nichts als Lügen
Der Mensch ist kein Vogel
Es wird nie ein Mensch fliegen
Sagte der Bischof den Leuten.
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IM ZWEITEN JAHRE MEINER FLUCHT
Im zweiten Jahre meiner Flucht
Las ich in einer Zeitung, in fremder Sprache
Daß ich meine Staatsbürgerschaft verloren hätte.
Ich war nicht traurig und nicht erfreut
Als ich meinen Namen las neben vielen andern
Guten und schlechten.
Das Los der Geflohenen schien mir nicht schlimmer als das
Der Gebliebenen.
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Wenn die Untat kommt wie der Regen
Wie einer, der mit einem wichtigen Brief an den Schalter kommt nach den Bűrostunden: der Schalter ist schon geschlossen.
Wie einer, der die Stadt vor einer Űberschwemmung warnen will: aber er spricht eine andere Sprache. Er wird nicht verstanden.
Wie ein Bettler, der zum fűnften Mal an eine Tűr klopft, wo er schon viermal bekommen hat: er ist zum fűnften Male hungrig.
Wie einer, dessen Blut aus einer Wunde ausfließt und er auf den Arzrt wartet: sein Blut fließt weiter aus.
So kommen wir und berichten, daß an uns Untaten verübt werden.
Als es zum ersten Mal berichtet wurde, daß unsere Freunde langsam geschlachtet werden, war da ein Schrei des Entsetzens. Da waren Hunderte geschlachtet. Aber als tausend geschlachtet
waren und des Schlachtens kein Ende war, bereitete sich Schweigen aus.
Wenn die Untat kommt, wie der Regen fällt, dann ruft niemand mehr: halt!
Wenn die Verbrechen sich häufen, werden sie unsichtbar. Wenn die Leiden unerträglich werden, hört man die Schreie nicht mehr.
Auch die Schreie fallen wie der Sommerregen.
(1934)
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Ich bin der Nachbar. Ich habe ihn angezeigt.
Wir wollen in unserem Haus
Keinen Hetzer haben.
Als wir die Hakenkreuzfahne heraushängten
Hat er keine herausgehängt
Als wir ihn dazu aufforderten
Hat er uns gefragt, ob wir in unserer Stube
In der wir mit vier Kindern wohnen
Noch Platz haben für eine Fahnenstange.
Als wir sagten, daß wir wieder an die Zukunft glaubten
Hat er gelacht.
Daß sie ihn auf der Treppe geschlagen haben
Hat uns nicht gefallen. Sie haben ihm den Kittel zerrissen.
Das wäre nicht nötig gewesen. So viele Kittel
Hat keiner von uns.
Aber jetzt ist er wenigstens weg und im Haus herrscht Ruhe.
Wir haben genug Sorgen im Kopf, da
Muß wenigstens Ruhe herrschen.
Wir sehen schon, einige Leute
Schauen weg, wenn sie uns begegnen. Aber
Die ihn abgeholt haben, sagen
Daß wir uns richtig verhalten haben.
(1934)
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DA WIRD EIN TAG SEIN, WO IHR DIES BEREUT
Ihr Lauten, die ihr schreit und die ihr schweigt, ihr Stillen!
Und käm kein solcher Tag, ich weinte um euch heut
Und wär es nur um eurer Kinder willen.
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Ballade von der Judenhure Marie Sanders
1
In Nürnberg machten sie ein Gesetz
Darüber weinte manches Weib, das
Mit dem falschen Mann im Bett lag.
»Das Fleisch schlägt auf in den Vorstädten
Die Trommeln schlagen mit Macht
Gott im Himmel, wenn sie etwas vorhätten
Wäre es heute nacht.«
2
Marie Sanders, dein Geliebter
Hat zu schwarzes Haar.
Besser, du bist heute zu ihm nicht mehr
Wie du zu ihm gestern warst.
»Das Fleisch schlägt auf in den Vorstädten
Die Trommeln schlagen mit Macht
Gott im Himmel, wenn sie etwas vorhätten
Wäre es heute nacht.«
3
Mutter, gib mir den Schlüssel
Es ist alles halb so schlimm.
Der Mond sieht aus wie immer.
»Das fleisch schlägt auf in den Vorstädten
Die Trommeln schlagen mit Macht
Gott im Himmel, wenn sie etwas vorhätten
Wäre es heute nacht.«
4
Eines Morgens, früh um neun Uhr
Fuhr sie durch die Stadt
Im Hemd, um den Hals ein Schild, das Haar geschoren.
Die Gasse johlte. Sie
Blickte kalt.
»Das Fleisch schlägt auf in den Vorstädten
Der Streicher spricht heute nacht.
Großer Gott, wenn sie ein Ohr hätten
Wüßten sie, was man mit ihnen macht.«
(1935)
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Als der Propagandaminster
Die Kritik des Volkes an der Regierung verbieten wollte, verbot er
Die Theaterkritik. Das Regime
Liebt das Theater sehr. Seine Leistungen
Liegen hauptsächlich auf theatralischem Gebiet.
Der virtuosen Handhabung des Scheinwerfers
Verdankt es nicht weniger als der
Virtuosen Handhabung des Gummiknüppels.
Seine Galavorstellungen
Werden im Radio über das ganze Reich verbreitet
In drei Kolossalfilmen
Von den der letzte achttausend Meter lang ist
Hat der Hauptdarsteller den Führer gespielt.
Um den Sinn für Theater im Volk zu stärken
Wurde der Besuch der Vorstellungen zwangsmässig organisiert.
Alljährlich am ersten Mai
Wenn der erste Schauspieler des Reiches
Einen einstmaligen Arbeiter spielt.
Um den Sinn für Theater im Volk zu stärken.
Wurde der Besuch der Vorstellungen zwangsmässig organisert
Alljährlich am Ersten Mai
Wenn der erste Schauspieler des Reiches
Einen einstmaligen Arbeiter spielt
Werden die Zuschauer für das Zuschauen sogar bezahlt: zwei Mark
Pro Person. Keine Kosten werden gescheut für die Festspiele.
Die unter dem Titel REICHSPARTEITAG in der Nähe von Bayreuths stattfinden.
Der Kanlzer selber
Tritt hier als reiner Tor auf und singt.
Zweimal am Tage die berühmte Arie
NIE SOLLST DU MICH BEFRAGEN.
Es ist klar, daß so kostspielige Veranstaltungen
Vor jeder Kritik geschuzt werden müssen
Wo käme man hin
Wenn jeder kritisieren konnte
Daß der Reichsjugendführer Baldur zu stark geschminkt ist
Oder daß der Propaganda Minister einen so falschen Ton hat, daß
Man ihm nichts mehr glaubt, nicht einmal
Seinen Klumpfuß? Überhaupt muß bei all dem Theater
Unbedingt verboten werden, das Kritik laut wird, ja, es darf
Nicht einmal gesagt werden, was gespielt wird
Wer die Vorstellung finanziert und
Wer die Hauptrolle spielt.
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Gedanken über die Dauer des Exils
I
Schlage keinen Nagel in die Wand
Wirf den Rock auf den Stuhl.
Warum vorsorgen für vier Tage?
Du kehrst morgen zurück.
Laß den kleinen Baum ohne Wasser.
Wozu noch einen Baum pflanzen?
Bevor er so hoch wie eine Stufe ist
Gehst du fort von hier.
Zieh die Mütze ins Gesicht, wenn Leute vorbeigehn!
Wozu in fremden Grammatiken blättern?
Die Nachricht, die dich heimruft
Ist in bekannter Sprache geschrieben.
So wie der Kalk vom Gebälk blättert
(Tue nichts dagegen!)
Wird der Zaun der Gewalt zermorschen
Der an der Grenze aufgerichtet ist
Gegen die Gerechtigkeit.
II
Sieh den Nagel in der Wand, den du eingeschlagen hast:
Wann, glaubst du, wirst du zurückkehren?
Willst du wissen, was du im Innersten glaubst?
Tag um Tag
Arbeitest du an der Befreiung
Sitzend in der Kammer schreibst du.
Willst du wissen, was du von deiner Arbeit hältst?
Sieh den kleinen Kastanienbaum im Eck des Hofes
Zu dem du die Kanne voll Wasser schlepptest!
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DIE APOKALYPTISCHEN REITER
Osther kommt ein Mär: Die apokalyptischen Reiter
Hatten ihr Feuer geworfen, es brannten Dörfer und Städte
Und sie kamen zur oder bei Nachtfall. Unten im Flußgries
Schickten die Blutigen sich, die ermatteten Gäule zu tränken.
(Alter Zeiten verschrieben, ritten sie selber noch Gäule.)
Aber die Tiere bogen die Hälse weg: allzu viel Totes
Schwamm da herunter. Fluchend standen sie, da, von der Böschung
Winkte ein Weiblein ihnen und führte sie schwankenden Ganges
Ob von Feuer verwirrt, ob schwach in den Knien von verjahrtem
Hunger, schwankenden Ganges, sag ich, führte sie, sag ich
Zwischen zerschossenen Hütten des einstigen Dorfes zu ihrer
Eignen zerschossenen Hütte. Schweigend wies sie den Brunnen.
Winzig stand sie im wechselnden Schein des geroteten Himmels
Saufen sah sie die Gäule das frische und reinliche Wasser.
Erst, als die Blutigen wieder im Sattel, tat sie den Mund auf:
“Vorwärts!” sagte sie laut mit des Alteres dünnere Stimme
“Vorwarts!” sagte sie drängend. “Reite weiter, ihr Lieben!”
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WAS DER FÜHRER NICHT WEISS
Nach der Ansicht vieler kleiner Leute
Weiß der Führer nicht
Daß sein Minister für Unterricht immer betrunken ist und
Sein Führer der Arbeitsfront nie nüchtern
Daß sein Propagandminisiter lügt, wenn er das Maul aufmacht.
Daß sein Kriegsminister den Krieg vorbereitet
Daß sein Polizeiminister Beweise gegen seinen Luftfahrtminister hat
Daß er gegen Bestechungsgelder seinen Industrieführen erlaubt
Daß sie dem Staat schlechte Maschinen liefern
Nach der Ansicht vieler kleiner Leute
Weiß der Führer auch nicht
Daß in seinen Gefängnissen und Lagern Menschen totgeprügelt werden
Daß die Kinder aus seinen Verbänden ihre Eltern der Polizei angeben
Daß die Winterhilfsgelder verschwinden und einige Leute noch im Sonmer davon leben
Daß die Söhne deutscher Mütter nach Spanien vekauft werden
Daß die Industriellen ihre Gewinne verdreifachen
Wenn der Führer das alles wußte
Was er nach der Ansicht vieler kleiner Leute nicht weiß,
Würde er dann
Ein paar ehrliche Leute holen lassen
(Am besten aus einem seiner Konzentrationslager)
Und sie bitten, ihm ein Schild um den Hals zu hängen, worauf steht:
Ich war eine Führer in den Abgrund
Und so, mit dem Schild um den Hals, durch das ruinierte Land laufen
Damit alle im Bilde wären?
Würde er das? Was meint ihr?
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KINDERKREUZZUG
In Polen, im Jahr Neununddreißig
War eine blutige Schlacht,
Die hatte viele Städte und Dörfer
Zu einer Wildnis gemacht.
Die Schwester verlor den Bruder
Die Frau den Mann im Heer;
Zwischen Feuer und Trümmerstätte
Fand das Kind die Eltern nicht mehr.
Aus Polen ist nichts mehr gekommen
Nicht Brief noch Zeitungsbericht.
Doch in den östlichen Ländern
Läuft eine seltsame Geschicht.
Schnee fiel, als man sich's erzählte
In einer östlichen Stadt
Von einem Kinderkreuzzug
Der in Polen begonnen hat.
Da trippelten Kinder hungernd
In Trüpplein hinab die Chausseen
Und nahmen mit sich andere, die
In zerschossenen Dörfern stehn.
Sie wollten entrinnen den Schlachten
Dem ganzen Nachtmahr
Und eines Tages kommen
In ein Land, wo Frieden war.
Da war ein kleiner Führer
Das hat sie aufgericht'.
Er hatte eine große Sorge:
Den Weg, den wußte er nicht.
Eine Elfjährige schleppte
Ein Kind von vier Jahr
Hatte alles für eine Mutter
Nur nicht ein Land, wo Frieden war.
Ein kleiner Jude marschierte im Trupp
Mit einem samtenen Kragen
Der war das weißeste Brot gewohnt
Und hat sich gut geschlagen.
Und ging ein dünner Grauer mit
Hielt sich abseits in der Landschaft.
Er trug an einer schrecklichen Schuld:
Er kam aus einer Nazigesandtschaft.
Und da war ein Hund
Gefangen zum Schlachten
Mitgenommen als Esser
Weil sie's nicht übers Herz brachten.
Da war eine Schule
Und ein kleiner Lehrer für Kalligraphie.
Und ein Schüler an einer zerschossenen Tankwand
Lernte schreiben bis zu Frie . . .
Da war auch eine Liebe.
Sie war zwölf, er war fünfzehn Jahr.
In einem zerschossenen Hofe
Kämmte sie ihm sein Haar.
Die Liebe konnte nicht bestehen
Es kam zu große Kalt:
Wie sollen die Bäumchen blühen
Wenn so viel Schnee drauf fällt?
Da war auch ein Begräbnis
Eines Jungen mit samtenem Kragen
Der wurde von zwei Deutschen
Und zwei Polen zu Grab getragen.
Protestant, Katholik und Nazi war da
Ihn der Erde einzuhändigen.
Und zum Schluß sprach ein kleiner Kommunist
Von der Zukunft der Lebendigen.
So gab es Glaube und Hoffnung
Nur nicht Fleisch und Brot.
Und keiner schelt sie mir, wenn sie was stahln
Der ihnen nicht Obdach bot.
Und keiner schelt mir den armen Mann
Der sie nicht zu Tische lud:
Für ein halbes Hundert, da braucht es
Mehl, nicht Opfermut.
Sie zogen vornehmlich nach Süden.
Süden ist, wo die Sonn
Mittags um zwölf steht
Gradaus davon.
Sie fanden zwar einen Soldaten
Verwundet im Tannengries.
Sie pflegten ihn sieben Tage
Damit er den Weg ihnen wies.
Er sagte ihnen: Nach Bilgoray!
Muß stark gefiebert haben
Und starb ihnen weg am achten Tag.
Sie haben auch ihn begraben.
Und da gab es ja Wegweiser
Wenn auch vom Schnee verweht
Nur zeigten sie nicht mehr die Richtung an
Sondern waren umgedreht.
Das war nicht etwa ein schlechter Spaß
Sondern aus militärischen Gründen.
Und als sie suchten nach Bilgoray
Konnten sie es nicht finden.
Sie standen um ihren Führer.
Der sah in die Schneeluft hinein
Und deutete mit der kleinen Hand
Und sagte: Es muß dort sein.
Einmal, nachts, sahen sie ein Feuer
Da gingen sie nicht hin.
Einmal rollten drei Tanks vorbei
Da waren Menschen drin.
Einmal kamen sie an eine Stadt
Da machten sie einen Bogen.
Bis sie daran vorüber waren
Sind sie nur nachts weitergezogen.
Wo einst das südöstliche Polen war
Bei starkem Schneewehn
Hat man die fünfundfünfzig
Zuletzt gesehn.
Wenn ich die Augen schließe
Seh ich sie wandern
Von einem zerschossenen Bauerngehöft
Zu einem zerschossenen andern.
Über ihnen, in den Wolken oben
Seh ich andre Züge, neue, große!
Mühsam wandernd gegen kalte Winde
Heimatlose, Richtungslose
Suchend nach dem Land mit Frieden
Ohne Donner, ohne Feuer
Nicht wie das, aus dem sie kamen
Und der Zug wird ungeheuer.
Und er scheint mir durch den Dämmer
Bald schon gar nicht mehr derselbe:
Andere Gesichtlein seh ich
Spanische, französische, gelbe!
In Polen, in jenem Januar
Wurde ein Hund gefangen
Der hatte um seinen mageren Hals
Eine Tafel aus Pappe hangen.
Darauf stand: Bitte um Hilfe!
Wir wissen den Weg nicht mehr.
Wir sind fünfundfünfzig
Der Hund führt euch her.
Wenn ihr nicht kommen könnt
Jagt ihn weg.
Schießt nicht auf ihn
Nur er weiß den Fleck.
Die Schrift war eine Kinderhand.
Bauern haben sie gelesen.
Seitdem sind eineinhalb Jahre um.
Der Hund ist verhungert gewesen.