Bertolt Brecht - his Poetry & Period - his Politics & Person
9 German Originals
Click on title for translation
AUSSER DIESEM STERN
Ausser diesem Stern dachte ich, ist nichts und er
Ist so verwüstet.
Er allein ist unsere Zuflucht und die
Sieht so aus.
Click on title for translation
Als ich kam in die Heimat
Und sah den Rest so stehn
Da bekam ich einen Schrecken
Und wollte schneller gehn.
Doch wär ich auch schneller gegangen
So schnell wie nie, uns bangt:
Aus solcher Trümmerstätte
Wär ich nicht hinausgelangt.
Click on title for translation
ALS UNSERE STÄDTE IN SCHUTT LAGEN
Als unsere Städte in Schutt lagen
Verwüstet durch den Krieg des Schlächters
Haben wir begonnen, sie wieder aufzubauen
In der Kälte, im Hunger, in der Schwäche.
Die Eisenkarren mit dem Schutt
Zogen wir selber, wie in gerauer Vorzeit
Mit den nackten Händen gruben wir Ziegel aus
Um unsere Kinder nicht in fremde Fron zu verkaufen.
Dann machten wir für diese unsere Kinder
In den Schulen Platz und saüberten die Schulen
Und reinigten das Wissen der Jahrhunderte
Vom alten Schmutz, daß es gut für sie sei.
Click on title for translation
EIN NEUES HAUS
Zurückgekehrt nach fünfzehnjährigem Exil
Bin ich eingezogen in ein schönes Haus.
Meine Nö-Masken und mein Rollbild, den Zweifler zeigend
Habe ich aufgehängt hier. Fahrend durch die Trümmer
Werde ich tagtäglich an die Privilegien erinnert
Die mir dies Haus verschafften. Ich hoffe
Es macht mich nicht geduldig mit den Löchern
In denen so viele Tausende sitzen. Immer noch
Liegt auf dem Schrank mit den Manuskripten
Mein Koffer.
Click on title for translation
Lied des Stückeschreibers
1
Ich bin ein Stückeschreiber. Ich zeige
Was ich gesehen habe. Auf den Menschenmärkten
Habe ich gesehen, wie der Mensch gehandelt wird. Das
Zeige ich, ich, der Stückeschreiber.
Wie sie zueinander ins Zimmer treten mit Plänen
Oder mit Gummiknüppeln oder mit Geld
Wie sie auf den Straßen stehen und warten
Wie sie einander Fallen bereiten
Voller Hoffnung
Wie sie Verabredungen treffen
Wie sie einander aufhängen
Wie sie sich lieben
Wie sie die Beute verteidigen
Wie sie essen
Das zeige ich.
Die Worte, die sie einander zurufen, berichte ich.
Was die Mutter dem Sohn sagt
Was der Unternehmer dem Unternommenen befiehlt
Was die Frau dem Mann antwortet.
Alle die bittenden Worte, alle die herrischen
Die flehenden, die mißverständlichen
Die lügnerischen, die unwissenden
Die schönen, die verletzenden
Alle berichte ich.
Ich sehe da auftreten Schneefälle.
Ich sehe da nach vorn kommen Erdbeben.
Ich sehe da Berge stehen mitten im Wege
Und Flüsse sehe ich über die Ufer treten.
Aber die Schneefälle haben Hüte auf.
Die Erdbeben haben Geld in der Brusttasche.
Die Berge sind aus Fahrzeugen gestiegen
Und die reißenden Flüsse gebieten über Polizisten.
2
Um zeigen zu können, was ich sehe
Lese ich nach die Darstellungen anderer Völker und anderer Zeitalter.
Ein paar Stücke habe ich nachgeschrieben, genau
Prüfend die jeweilige Technik und mir einprägend
Das, was mir zustatten kommt.
Ich studierte die Darstellungen der großen Feudalen
Durch die Engländer, reicher Figuren
Denen die Welt dazu dient, sich groß zu entfalten.
Ich studierte die moralisierenden Spanier
Die Inder, Meister der schönen Empfindungen
Und die Chinesen, welche die Familien darstellen
Und die bunten Schicksale in den Städten.
Click on title for translation
Neulich habe ich meinen Zuschauer getroffen.
Auf staubiger Straße
Hielt er in den Fäusten eine Bohrmaschine.
Für eine Sekunde
Blickte er auf. Da schlug ich schnell mein Theater
Zwischen den Häusern auf. Er
Blickte erwartungsvoll.
In der Schenke
Traf ich ihn wieder. Er stand an der Theke.
Schweißüberronnen trank er, in der Faust
Einen Ranken Brot. Ich schlug schnell mein Theater auf. Er
Blickte verwundert.
Heute
Glückte es mir von neuem. Vor dem Bahnhof
Sah ihn ihn, getrieben mit Gewehrkolben
Unter Trommelgeräuschen in den Krieg.
Mitten in der Menge
Schlug ich mein Theater auf. Über die Schulter
Blickte er her:
Er nickte.
Click on title for translation
C.N.
Als ich dir vor Jahren zeigte
Wie du dich waschen solltest in der Frühe
Mit Eisstückchen im Wasser
Des kleinen kupfernen Kessels
Das Gesicht eintauchend, die Augen offen
Beim Abtrocknen mit dem rauhen Tuch
Vom Blatt an der Wand die schweren Zeilen
Der Rolle lesend, sagte ich:
Das tust du für dich und tue es
Vorbildlich.
Jetzt höre ich, du sollst im Gefängnis sein.
Die Briefe, die ich für dich schrieb
Blieben unbeantwortet. Die Freunde, die ich für dich anging
Schweigen. Ich kann nichts für dich tun. Wie
Mag dein Morgen sein? Wirst du noch etwas tun für dich?
Hoffnungsvoll und verantwortlich
Mit guten Bewegungen, vorbildlichen?
Click on title for translaiton
Die Schauspielerin im Exil
(Helene Weigel gewidmet)
Jetzt schminkt sie sich. In der weißen Zelle
Sitzt sie gebückt auf dem ärmlichen Hocker
Mit leichten Gebärden
Trägt sie vor dem Spiegel die Schminke auf.
Sorgsam entfernt sie von ihrem Gesicht
Jegliche Besonderheit: die leiseste Empfindung
Wird es verändern. Mitunter
Läßt sie die schmächtigen und edlen Schultern
Nach vorn fallen, wie die es tun, die
Hart arbeiten. Sie trägt schon die grobe Bluse
Mit den Flicken am Ärmel. Die Bastschuhe
Stehen noch auf dem Schminktisch.
Wenn sie fertig ist
Fragt sie eifrig, ob die Trommel schon gekommen ist
Auf der der Geschützdonner gemacht wird, und ob das große Netz
Schon hängt. Dann steht sie auf, kleine Gestalt
Große Kämpferin
In die Bastschuhe zu treten und darzustellen
Den Kampf der andalusischen Fischersfrau
Gegen die Generäle.
Click on title for translation
Seht hier den Hocker und den alten Spiegel
Vor den sie sich, im Schoß die Rolle, setzte
Den Schminkstift seht, den winzigen Farbentiegel
Und hier das Netz, das sie als Fischweib netzte!
Doch seht auch, aus der Zeit der Flucht, nun das gelochte
Fünfœrstück und den abgelaufnen Schuh, das Messingkar
In dem sie für die Kinder Blaubeern kochte
Das Holz, auf dem der Teig geknetet war!
Womit in Glück und Unglück sie hantierte
Dem euren und dem ihren, hier steh es zur Schau!
O große Kostbarkeit, die sich nicht zierte!
Schauspielerin and Flüchtling, Magd und Frau!
Click on title for translation
Sie alle verschleppen ihre Bäuche
Als wäre es Raubgut, als würde gefahndet danach
Aber der große Laughton trug ihn vor wie ein Gedicht
Zu seiner Erbauung und niemandes Ungemach.
Hier war er: nicht unerwartet, doch nicht gewöhnlich
Und gebaut aus Speisen, ausgekürt
in Muße, zur Kurzweil,
Und nach gutem Plan, vortrefflich ausgeführt.
Click on title for translation
Als der Wandelbare gestorben war
Legten sie ihn in die kleine geweißnete Kammer
Mit dem Ausblick auf Pflanzen für die Besucher
Legten ihm zu Füßen auf den Boden
Pferdesattel und Buch, Trankmischer und Handspiegel
Hängten an die Wand den eisernen Haken
Zum Aufspießen der Zettel mit den Notierungen
Unvergessener Freundlichkeiten des Toten und
Ließen die Besucher ein.
Und eintraten seine Freunde
(Auch die ihm wohlwollten unter seinen Anverwandten)
Seine Mitarbetier und seine Schüler, abzuliefern
Die Zettel mit den Notierungen
Unvergessener Freundlichkeiten des Toten
Als sie den Wandelbaren ins Totenhaus trugen
Trugen sie ihm voraus die Masken
Seiner fünf großen Gestaltungen
Der drei vorbildlichen und zwei bestrittenen
Aber zugedeckt war er mit der roten Fahne
Geschenk der Arbeiter
Für seine Unwandelbarkeit in den Tagen der Unterdrückung
Und seine Leistungen in den Tagen der Umwälzung.
Auch verlasen an der Tür zum Totenhaus
Die Vertreter der Räte den Text seiner Entlassung
Mit der Beschreibung seiner Verdienste, der Tilgung
Aller Verweise und der Ermahnung an die Lebendigen,
Ihm nachzueifern und seinen Platz auszufüllen.
Dann begruben sie ihn im Stadtpark, da wo die Bänke
Für die Liebenden stehn.
Click on title for translation
BESUCH BEI DEN VERBANNTEN DICHTERN
Als er im Traum die Hütte betrat der verbannten
Dichter, die neben der Hütte gelegen ist
Wo die verbannten Lehrer wohnen (er hörte von dort
Streit und Gelächter), kam ihm zum Eingang
Ovid entgegen und sagte ihm halblaut:
"Besser, du setzt dich noch nicht. Du bist noch nicht gestorben. Wer weiß da
Ob du nicht doch noch zurückkehrst? Und ohne daß andres sich ändert
Als du selber.« Doch, Trost in den Augen
Näherte Po Chü-yi sich und sagte lächelnd: »Die Strenge
Hat sich jeder verdient, der nur einmal das Unrecht benannte.«
Und sein Freund Tu-fu sagte still; »Du verstehst, die Verbannung
Ist nicht der Ort, wo der Hochmut verlernt wird.« Aber irdischer
Stellte sich der zerlumpte Villon zu ihnen und fragte:
»Wie viele
Türen hat das Haus, wo du wohnst?« Und es nahm ihn der Dante bei Seite
Und ihn am Ärmel fassend, murmelte er; »Deine Verse
Wimmeln von Fehlern, Freund, bedenk doch
Wer alles gegen dich ist!« Und Voltaire rief hinüber:
»Gib auf den Sou acht, sie hungern dich aus sonst!«
»Und misch Späße hinein!« schrie Heine. »Das hilft nidht«
Schimpfte der Shakespeare, »als Jakob kam
Durfte auch ich nicht mehr schreiben.« - »Wenn's zum
Prozeß kommt
Nimm einen Schurken zum Anwalt!« riet der Euripides
»Denn der kennt die Löcher im Netz des Gesetzes.« Das
Gelächter
Dauerte noch, da, aus der dunkelsten Ecke
Kam ein Ruf: »Du, wissen sie auch
Deine Verse auswendig? Und die sie wissen
Werden sie der Verfolgung entrinnen?« - »Das
Sind die Vergessenen«, sagte der Dante leise
»Ihnen wurden nicht nur die Körper, auch die Werke vernichtet.«
Das Gelächter brach ab. Keiner wagte hinüberzublicken. Dei Ankömmling
War erblaßt.
Click on title for translation
Bericht ueber einen Gescheiterten
Als der Gescheiterte unsere Insel betrat
Kam er wie einer, der sein Ziel erreicht hat.
Ich glaube fast: uns erblickend
Die zur Hilfe herangeeilt waren
Fühlte er sogleich Mitleid mit uns.
Von allem Anfang an
Befaßte er sich nur mit unseren Dingen.
Aus den Erfahrungen seines Schiffbruchs
Lehrte er uns das Segeln. Selbst Mut
Brachte er uns bei. Von den stürmischen Gewässern
Sprach er mit großer Achtung, wohl
Da sie einen Mann wie ihn besiegt hatten. Freilich
Hatten sie dabei viel von ihren Tricks verraten. Diese
Kenntnis würde aus uns, seinen Schülern
Bessere Männer machen. Da er bestimmte Speisen vermißte
Verbesserte er unsere Kochkunst.
Obwohl mit sich selber sichtlich unzufrieden
Ließ er es nie fehlen an der Unzufriedenheit mit allen Zuständen
Um sich und um uns. Aber niemals
Während der ganzen Zeit, die er bei uns zubrachte
Hörten wir ihn sich über andere beklagen als sich selber.
Er starb an einer alten Wunde. Schon auf dem Rücken liegend
Probierte er einen neuen Knoten aus für unsere [H]Fischnetze. So
Starb er lernend.