top of page

10 German Originals

 

 

Entstehung des Taos

Click on title for translation
 
„Legende von der Entstehung des Buches Tao Te King
auf dem Weg des Laotse in die Emigration“

 

1
Als er Siebzig war und war gebrechlich
Drängte es den Lehrer doch nach Ruh
Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich
Und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu.
Und er gürtete die Schuh.
    
2
Und er packte ein, was er so brauchte:
Wenig. Doch es wurde dies und das.
So die Pfeife, die er abends immer rauchte
Und das Büchlein, das er immer las.
Weißbrot nach dem Augenmaß.
    
3
Freute sich des Tals noch einmal und vergaß es
Als er ins Gebirg den Weg einschlug
Und sein Ochse freute sich des frischen Grases
Kauend, während er den Alten trug.
Denn dem ging es schnell genug.
    

4
Doch am vierten Tag im Felsgesteine
Hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt:
„Kostbarkeiten zu verzollen?“ - „Keine.“
Und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach: "Er hat gelehrt.“
Und so war auch das erklärt.
    
5
Doch der Mann in einer heitren Regung
Fragte noch: „Hat er was rausgekriegt?“
Sprach der Knabe: „Daß das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den harten Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt.“

6
Daß er nicht das letzte Tageslicht verlöre
Trieb der Knabe nun den Ochsen an
Und die drei verschwanden schon um eine schwarze Föhre
Da kam plötzlich Fahrt in unsern Mann
Und er schrie: „He, du! Halt an!

 

7
Was ist das mit diesem Wasser, Alter?“
Hielt der Alte: „Interessiert es dich?“
Sprach der Mann: „Ich bin nur Zollverwalter
Doch wer wen besiegt, das interessiert auch mich.
Wenn du's weißt, dann sprich!

 

8
Schreib mir's auf! Diktier es diesem Kinde!
So was nimmt man doch nicht mit sich fort.
Da gibt's doch Papier bei uns und Tinte
Und ein Nachtmahl gibt es auch: ich wohne dort.
Nun, ist das ein Wort?“

 

 9
Über seine Schulter sah der Alte
Auf den Mann: Flickjoppe. Keine Schuh.
Und die Stirne eine einzige Falte.
Ach, kein Sieger trat da auf ihn zu.
Und er murmelte: „Auch du?"

 

10
Eine höfliche Bitte abzuschlagen
War der Alte, wie es schien, zu alt.
Denn er sagte laut: „Die etwas fragen
Die verdienen Antwort.“ Sprach der Knabe: „Es wird auch schon kalt.“
„Gut, ein kleiner Aufenthalt.“

 

11
Und von seinem Ochsen stieg der Weise
Sieben Tage schrieben sie zu zweit
Und der Zöllner brachte Essen (und er fluchte nur noch leise
Mit den Schmugglern in der ganzen Zeit).
Und dann war's soweit.

 

12
Und dem Zöllner händigte der Knabe
Eines Morgens einundachtzig Sprüche ein.
Und mit Dank für eine kleine Reisegabe
Bogen sie um jene Föhre ins Gestein.
Sagt jetzt: kann man höflicher sein?

 

 13
Aber rühmen wir nicht nur den Weisen
Dessen Name auf dem Buche prangt!
Denn man muß dem Weisen seine Weisheit erst entreißen.
Darum sei der Zöllner auch bedankt:
Er hat sie ihm abverlangt.

Click on title for translation

 

Der Blumenmarkt

 

In der Königlichen Hauptstadt ist der Frühling fast vorüber
Wenn die Gassen sich füllen mit Kutschen und Reitern: die Zeit
Der Päonenblüte ist da.  Und wir mischen uns
Mit dem Volk, das zum Blumenmarkt drängt. "Heranspaziert!
Wählen Sie Ihre diesjährigen Blumen  Preise verwschieden.
Je mehr Blüten, natürlich, desto höher der Preis.
Diese Weißen - fünf Stückchen Seide.
Die roten - zwanzig Ellen Brokat.
Gegen die Sonne ein Schirmchen drüeber
Gegen den Nachtfrost das Wattekörbchen.
Besprengt mit Wasser und die Wurzlen mit Schlamm bedeckt
Werden sie, umgepflanzt, ihre Schönheit behalten."
Gedankenlos folgt jeder Haushalt dem teueren Brach.
Eine alten Landarbeiter, zur Stadt gekommen
Zwei, drei Ämter aufzusuchen, Hörten wir
Kopfschüttelnd seufzen. Er dachte wohl
"Ein Büschel solcher Blumen
Würde die Steuern von zehn armen Höfen bezahlen."

blumenmarkt

Click on title for translation

 

Bei der Geburt Eines Sohnes

 

(Nach dem Chinesischen des Su Tung-p’o, 1036-1101)

 

Familien, wenn ihnen ein Kind geboren ist
Wünschen es sich intelligent.
Ich, der ich durch Intelligenz
Mein ganzes Leben ruinert habe
Kann nur hoffen, mein Sohn
Möge sich erweisen as
Unwissend und denkfaul.
Dann wird er ein rihiges Leben haben
Als Minister im Kabinett.  

geburt

Click on title for translation 

 

DIE GROSSE DECKE
 
Der Gouverneur, von mir befragt, was nötig wäre
Den Frierenden in unsrer Stadt zu helfen
Antwortete: Eine Decke, zehntausend Fuß lang
Die die ganzen Vorstädte einfach zudeckt.
 
Po Chü-yi (772-346)
 

Decke

Click on title for translation

 

DIE FREUNDE
 
Wenn du in einer Kutsche gefahren kämst
Und ich trüge eines Bauern Rock
Und wir träfen uns eines Tags so auf der Straße
Würdest du aussteigen und dich verbeugen.
Und wenn du Wasser verkauftest
Und ich käme spazieren geritten auf einem Pferd
Und wir träfen uns eines Tags so auf der Straße
Würde ich absteigen vor dir.
 
Unbekannter Dichter (um 700 v. d. Zt.)

Freunde

Click on title for translation

DER DRACHE DES SCHWARZEN PFUHLS
 
Tief sind die Wasser des schwarzen Pfuhls und
Tintenfarbig. Es heißt, ein sehr heiliger Drache
Wohne hier. Kein menschliches Auge
Hat ihn je gesehen, aber neben dem Pfuhl
Hat man einen Schrein gebaut und die Behörden
Haben ein Ritual eingerichtet. Ein Drache
Bleibt vielleicht ein Drache, aber die Menschen
Können aus ihm einen Gott machen. Die Dorfbewohner
Betrachten gute Ernten und Mißwachs
Heuschreckenschwärme und kaiserliche Kommissionen
Steuern und Seuchen als Schickungen des sehr heiligen
Drachen. Alle
Opfern ihm kleine Ferkel und Krüge mit Wein, je nach den
Ratschlägen
Eines der ihrigen, der das Zweite Gesicht hat.
Er bestimmt auch die Morgengebete und die
Feierabendhymnen.
 
Gegrüßt seist Du, Drache, voll der Gaben!
Heil Dir im Siegerkranz
Retter des Vaterlands, Du
Bist erwählt unter den Drachen und erwählt ist
Unter allem Wein der Opferwein.
Fleischstücke liegen auf den Steinen am Pfuhl herum.
Das Gras vor dem Schrein ist von Wein befleckt.
Ich weiß nicht, wieviel von seinen Opfergaben
Der Drache ißt. Aber die Mäuse des Gehölzes
Und die Füchse der Hügel sind beständig betrunken und überfressen.
Warum sind die Füchse so glücklich?
Was haben die kleinen Ferkel getan?
Daß sie geschlachtet werden sollen Jahr für Jahr, nur
Um die Füchse zu hofieren? Der sehr heilige Drache
In der neunfältigen Tiefe seines Pfuhls, weiß er
Daß die Füchse ihn berauben und fressen seine kleinen Ferkel
Oder weiß er es nicht?

Schwarz Pfuhl

Click on title for translation

 

Ein Protest im Sechsten Jahre des Chien Fu

Die Hügel und Bache der Ebene
Machtet ihr zu eurem Schlaftfeld.
Wie, glaubt ihr, wird das Volk, das hier lebt
Sich versorgen mit “Brennholz und Heu”?
Bitte verschont mich mit eurem Gewäsch
Von Ernennungen und Titeln.
Eines einizgen Gernerals Reputation
Heißt: Zehntausend Leichen.
               
 

Ein Protest

Click on title for translation

 

Der Politiker

 

Wie üblich, meine frisch gepflückten Kräuter
Zum Markt zu bringen, ging ich in die Stadt.
Da es noch früh am Tage war
Verschnaufte ich mich unter einem Pflaumenbaum
Am Osttor.
Dort wär’s, daß ich die Wolke Staubs gewahrte.
Herauf die Straße kam ein Reiter.
Gesicht: grau. Blick: gejagt. Ein kleiner Haufe
Wohl Freunde und Verwandte, die amTor
Schlaftrunken und verstört auf ihn gewartet, drängten sich
Um ihn, ihm Lebewohl zu sagen, aber
Er wagte nicht zu halten.  Ich, erstaunt
Fragte die Leute um mich, wer er war
Und was ihm zugestoßen sei. Sie sagten:
Das war ein Staatsrat, einer von den Großen.
Zehnstausend Käsch Diaten jährlich.  Noch im Herbst kam
Der Kaiser täglich zweimal in sein Haus. Noch gestern
Aß er zur Nacht mit den Ministern. Heute
Ist er verbannt ins hinterste Yai-chou.
So ist es immer mit den Räten der Herrscher.
Gunst und Ungnade zwischen zwölf Uhr und Mittag.
Grün,  grün das Gras der östlichen Vorstadt
Durch das der Steinpfad in die Hügel führt, die friedlichen
Unter den Wolkenzügen.  

Der Politiker
brennende haus

Click on title for translation

GLEICHNIS DES BUDDHA VOM BRENNENDEN HAUS
 
Gothama, der Buddha, lehrte
Die Lehre vom Rade der Gier, auf das wir geflochten sind, und empfahl
Alle Begierde abzutun und so
Wunschlos einzugehen ins Nichts, das er Nirwana nannte.
Da fragten ihn eines Tags seine Schüler;
Wie ist dies Nichts, Meister? Wir alle möchten
Abtun alle Begierde, wie du empfiehlst, aber sage uns
Ob dies Nichts, in das wir dann eingehen
Etwa so ist wie dies Einssein mit allem Geschaffenen
Wenn man im Wasser liegt, leichten Körpers, im Mittag
Ohne Gedanken fast, faul im Wasser liegt oder in Schlaf fällt
Kaum noch wissend, daß man die Decke zurechtschiebt
Schnell versinkend, ob dies Nichts also
So ein fröhliches ist, ein gutes Nichts, oder ob dies dein
Nichts nur einfach ein Nichts ist, kalt, leer und bedeutungslos.
Lange schwieg der Buddha, dann sagte er lässig:
Keine Antwort ist auf euere Frage.
Aber am Abend, als sie gegangen waren
Saß der Buddha noch unter dem Brotbaum und sagte den ändern
 Denen, die nicht gefragt hatten, folgendes Gleichnis:
 Neulich sah ich ein Haus. Es brannte. Am Dache
 Leckte die Flamme. Ich ging hinzu und bemerkte
 Daß noch Menschen drin waren. Ich trat in die Tür und rief ihnen
 Zu, daß Feuer im Dach sei, sie also auffordernd
 Schnell hinauszugehen. Aber die Leute
 Schiened nicht eilig. Einer fragte mich
 Während ihm schon die Hitze die Braue versengte
 Wie es draußen denn sei, ob es auch nicht regne
 Ob nicht doch Wind gehe, ob da ein anderes Haus sei
 Und so noch einiges. Ohne zu antworten
 Ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich
 Müssen verbrennen, bevor sie zu fragen aufhören. Wirklich, Freunde
 Wem der Boden noch nicht so heiß ist, daß er ihn lieber
 Mit jedem andern vertauschte, als daß er da bliebe, dem
 Habe ich nichts zu sagen. So Gothama, der Buddha.
 Aber auch wir, nicht mehr beschäftigt mit der Kunst des Duldens
 Eher beschäftigt mit der Kunst des Nichtduldens und vielerlei Vorschläge
 Irdischer Art vorbringend und die Menschen lehrend
 Ihre menschlichen Peiniger abzuschütteln, meinen, daß wir denen, die
 Angesichts der heraufkommenden Bombenflugzeuggeschwader des Kapitals noch allzulang fragen
 Wie wir uns dies dächten, wie wir uns das vorstellten
Und was aus ihren Sparbüchsen und Sonntagshosen werden soll nach einer Umwälzung
Nicht viel zu sagen haben.
               
 

Click on title for translation


ANSPRACHE DES BAUERN AN SEINEN OCHSEN

 

(Nach einem ägyptischen Bauernlied, 1400 v.d. Zt.)

 

O großer Ochse, göttliche Pflugzieher
Geruhe, gerade zu pflügen!  Bring die Furchen
Freundlichst nicht durcheinander! Du
Gehst voraus, Führender, hüh!
Wir haben gebückt gestanden, dein Futter zu schneiden
Geruhe jetzt, es zu verspeisen, teurer Ernährer!  Sorg dich nicht
Beim Fressen um die Furche, friß!
Für deinen Stall, du Beschutzer der Familie
Haben wir ächzend die Balken hergeschleppt. Wir
Liegen im Nassen, du im Trockenen. Gestern
Hast du gehustete, geliebter Schrittmacher.
Wir waren ausser uns. Willst du etwa
Vor der Aussaat verrecken, du Hund?

 

(1938)

Ansprache
bottom of page